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Das neue Soziale Entschädigungsrecht

Am 1. Januar 2024 tritt das neue Soziale Entschädigungsrecht in Kraft. Damit sollen Leistungen künftig schneller, zielgerichteter und stärker an den Bedürfnissen der Berechtigten orientiert erbracht werden.

Das Soziale Entschädigungsrecht wird zum 1. Januar 2024 modernisiert und zu einem eigenen Buch 14 (XIV) im Sozialgesetzbuch (SGB) zusammengefasst. Vorher war die Soziale Entschädigung in vielen verschiedenen Gesetzen geregelt, weil die Leistungen über die Jahrzehnte immer wieder auf neue Bereiche ausgeweitet wurden.

Am Anfang der Sozialen Entschädigung stand der Wunsch der Bundesrepublik Deutschland, für die Opfer der beiden Weltkriege zu sorgen. Dafür wurde 1950 das Bundesversorgungsgesetz für Kriegsgeschädigte sowie deren Angehörige und Hinterbliebene verabschiedet. Aber die Anforderungen an die Soziale Entschädigung entwickelten sich weiter. Die Entschädigung von Impfgeschädigten, Opfern des Unrechts in der DDR und politischen Häftlingen im Ausland kamen hinzu.

Neue gesetzliche Regelungen zum 1. Januar 2024

Am 19. Dezember 2019 ist das „Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechtes“ verkündet worden, wodurch das Sozialgesetzbuch 14. Buch (SGB XIV) zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Das Bundesversorgungsgesetz (BVG) und das Opferentschädigungsgesetz (OEG) werden mit Inkrafttreten des SGB XIV aufgehoben und Ansprüche nach diesen Gesetzen künftig über das SGB XIV abgewickelt. Für Anspruchsberechtigte sind umfangreiche Bestandschutzregelungen vorgesehen, sofern sie nicht ins neue Recht übergeleitet werden wollen. Die bisherige Differenzierung zwischen den Fürsorgeleistungen und den Versorgungsleistungen entfallen ab 2024.

Die wichtigsten Änderungen in Kürze

Eine Neuerung des SGB XIV ist, dass nicht nur Opfer physischer, sondern auch psychischer Gewalt und vernachlässigte Kinder Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts erhalten können. Um unabhängig vom meist länger dauernden Antragsverfahren unterstützen zu können, wurden außerdem „Schnelle Hilfen“ eingeführt. Dazu zählt zum einen die Soforthilfe in einer Traumaambulanz. Zum anderen werden Berechtigte bei der Antragstellung für Leistungen der Sozialen Entschädigung und im weiteren Verwaltungsverfahren auf Wunsch durch ein Fallmanagement unterstützt.  

Die Änderungen im Überblick

Die bisherigen gesetzlichen Regelungen des Sozialen Entschädigungsrechts werden durch das zum 1. Januar 2024 in Kraft tretende SGB XIV abgelöst und inhaltlich in Teilen signifikant verändert.

Mehr Transparenz und Rechtsklarheit

Die Bündelung des Rechts der Sozialen Entschädigung in einem eigenen Buch des Sozialgesetzbuches, dem SGB XIV, wird der gesellschaftlichen Relevanz und der staatlichen Mitverantwortung an den schädigenden Ereignissen gerecht. Durch die klare Struktur des SGB XIV ist es für Betroffene leichter, mögliche Ansprüche zu erkennen und geltend zu machen. Für die Verwaltung wird die Gesetzesdurchführung vereinfacht.

Unterstützung für mehr Menschen

Der Kreis derjenigen, die Leistungen des SER beziehen können, wird durch das SGB XIV erweitert. Zukünftig können auch Opfer psychischer Gewalt – hierunter fallen insbesondere Fälle von sexueller Gewalt – Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts erhalten. Opfer von Gewalttaten werden unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus gleichbehandelt. Schockschadensopfer, also Menschen, die nicht direkte Opfer, aber vom Miterleben der Tat beeinträchtigt sind, erhalten Leistungen, unabhängig davon, ob sie dem Opfer emotional nahe stehen oder nicht.

Erleichterter Zugang zu schnell wirksamen Leistungen

Betroffene werden durch Schnelle Hilfen in einem erleichterten niedrigschwelligen Verfahren zeitnah unterstützt. Bundesweit wird ab dem 1. Januar 2021 sichergestellt, dass flächendeckend eine Soforthilfe in einer Traumaambulanz gewährleistet wird. Durch ein Fallmanagement werden Betroffene im Antrags- und Verwaltungsverfahren unterstützt und begleitet.

Wesentliche Erhöhung der monatlichen anrechnungsfreien Entschädigungsleistungen

Die bisherigen Geldleistungen werden zu monatlichen Entschädigungsleistungen zusammengefasst und deutlich erhöht. Es besteht auch die Möglichkeit, Einmalzahlungen als Abfindungen zu erhalten. Für bereits bestehende Leistungsfälle wird durch umfassende Besitzstandsregelungen ebenfalls eine gute Absicherung gewährleistet. Ein Wahlrecht ermöglicht den Wechsel in das neue Recht, gibt diesen jedoch nicht zwingend vor.

Stärkung des Teilhabegedankens

Der Teilhabegedanke wird deutlich gestärkt. Teilhabeleistungen werden künftig grundsätzlich ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen erbracht.

Verbesserungen für Opfer sexueller Gewalt

Eine neue Regelung zur Beweiserleichterung bei der Kausalitätsprüfung psychischer Erkrankungen kommt insbesondere Opfern sexueller oder psychischer Gewalt zugute. Handlungen im Zusammenhang mit Kinderpornographie werden als neuer Entschädigungstatbestand erfasst. Grundsätzlich unterfallen alle Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, unabhängig vom Alter der Betroffenen, dem überarbeiteten Gewaltbegriff, der Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XIV ist.

Vorgezogene Verbesserungen für Gewaltopfer einschließlich Terroropfer

Das SGB XIV tritt grundsätzlich zum 1. Januar 2024 in Kraft. Damit wird den Ländern die benötigte Vorlaufzeit für die Umsetzung des neuen Rechts insbesondere im Bereich ihrer IT-Infrastruktur eingeräumt. Es gibt jedoch wesentliche Verbesserungen für Leistungsberechtigte des SER, die bereits jetzt umgesetzt worden sind. Hierzu gehört, dass im geltenden Recht (BVG) die Waisenrenten und das Bestattungsgeld bei schädigungsbedingtem Tod erhöht und die Leistungen für Überführungskosten verbessert werden. Auch das OEG wurde rückwirkend zum 1. Juli 2018 geändert. Dadurch erhalten Ausländerinnen und Ausländer, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, und Opfer einer Gewalttat werden, die gleichen Entschädigungsleistungen wie deutsche Gewaltopfer.

Regelungen für bisherige Leistungsberechtigte

Für Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), dem Zivildienstgesetz (ZDG) und dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) gelten die bisher anerkannten Schädigungsfolgen auch nach dem 1. Januar 2024 weiter. Es findet keine erneute Prüfung mit ärztlicher Untersuchung statt.

Unbefristete Geldleistungen werden im Zuge der Gesetzesänderung zum Januar 2024 addiert und um 25 Prozent erhöht oder unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen direkt in den erhöhten Leistungskatalog des SGB XIV übergeleitet. Der Betrag steigt künftig um den gleichen Prozentsatz wie der aktuelle Rentenwert. Ein neuer Antrag ist nicht nötig. Einige befristete Leistungen werden bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums wie bisher erbracht, längstens aber bis zum 31. Dezember 2033, wenn die Weiterbewilligung der Leistung nach altem Recht zwei Wochen nach Fristablauf bei den Trägern der Sozialen Entschädigung beantragt wird.

Wunsch- und Wahlrecht

Berechtigte, die Leistungen nach altem Recht erhalten, können sich aber wahlweise auch für das neue Recht entscheiden. Die Entscheidung ist dem Träger der Sozialen Entschädigung im jeweiligen Bundesland innerhalb eines Jahres schriftlich mitzuteilen und kann nicht widerrufen werden. Welches Recht höhere Leistungen bringt, hängt vom Einzelfall ab. Wir beraten Sie dazu gern.

Das Wahlrecht gilt nicht, wenn ein neues oder erneutes schädigendes Ereignis nach dem 1. Januar 2024 eintritt. Diese Ereignisse fallen automatisch unter das neue Soziale Entschädigungsrecht.

Ihr Kontakt zu uns

Wir beraten bisherige Leistungsberechtigte zum Wunsch- und Wahlrecht.

ser@lwl.org

Tel: 0251 591-8002

Piktogramm Telefon

Traumaambulanzen

Opfer von Gewalttaten können in Kliniken mit Traumaambulanzen schnell Hilfe erhalten.

Informationen zu den Traumaambulanzen

Fallmanagement

Das Fallmanagement unterstützt und begleitet Betroffene im Antragsverfahren.

Informationen zum Fallmanagement

Antrag & Leistungen

Informationen zum Antragsverfahren und den möglichen Leistungen.

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